Dienstag, 20. Mai 2008

Pythagoras

Der Guru

Pythagoras(570-510v.Chr.) wurde auf der Insel Samos geboren. Als Sohn des Mnesarchos, der wahrscheinlich ein erfolgreicher eingewanderter Kaufmann war und nicht aus einer vornehmen samischen Familie stammte, wie man lange Zeit annahm. Vielleicht war der Vater des Pythagoras auch ein Steinmetz, wie der des Sokrates, wir wissen es nicht, denn viele Angaben über diesen frühen antiken Philosophen sind sehr umstritten. Dies liegt nicht nur am hohen Alter der Quellen, die sich auch oft widersprechen, sondern vor allem daran, dass sich schon früh viele Legenden um diesen Mann rankten.

In seiner Jugend lernte er in Ägypten und Babylonien, den geistigen Zentren seiner Zeit. Das Wissen über Mathematik, Astronomie, Naturphilosophie und verschiedene religiöse Vorstellungen, haben sein weiteres Schaffen geprägt.

538 v. Chr. kehrt er in seine Heimat Samos zurück, doch verließ er sie bald darauf wieder, weil er mit dem tyrannischen Machthaber Polykrates kein gutes Verhältnis hatte.

Um 530 v. Chr. schließlich gründet er im griechisch besiedelten Unteritalien seine eigene Schule, in Kroton, dem heutigen Crotone in Kalabrien. Der innere Kreis der Mitglieder seiner Schule bildeten eine enge Gemeinschaft, die sich zu gemeinsamer Treue aber auch zur Verschwiegenheit nach außen verpflichteten. Es entstand der Geheimbund der Pythagoreer, die sich auf eine genau geregelte, bescheidene Lebensweise festlegten: “die pythagoreische Art des Lebes“.

Als ein geschickter Redner gewann Pythagoras großen Einfluss bei der Bürgerschaft Krotons, auch bei der nicht griechischen Bevölkerung und in anderen Gebieten der Region. Diesen Einfluss machte er politisch geltend: Zu jener Zeit befand sich Kroton in einem Streit mit einer anderen Stadt, namens Sybaris. Oppositionelle aus Sybaris waren nach Kroton geflüchtet, doch Sybaris forderte deren Auslieferung. Pythagoras verhinderte mit seinem Einfluss diese Auslieferung, woraufhin es 510 v. Chr. zum Krieg der beiden Städte gegeneinander kam, den Kroton gewann. Danach wurde in der Stadt um das eroberte Land gestritten, wobei sich der Unmut der Bürger gegen die Pythagoreer richtete.

An diesem Punkt unterscheiden sich dann die Berichte, die einen Quellen berichten davon, dass Pythagoras, den folgenden Unruhen zum Opfer fiel, bei denen die Pythagoreer unterlagen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er zuvor die Stadt verließ und nach Metapontion übersiedelte (heute Metaponto), wo er in hohem alter starb. Dort muss er in hohem Ansehen gestanden haben, denn die Metapontier erhielten sein Haus, indem sie es in ein Heiligtum umwandelten, das sie der Demeter weihten, der Göttin des Ackerbaus. Seine Anhänger hielten ihn für einen religiösen Propheten. Sie schrieben ihm Wundertaten zu und göttliche Fähigkeiten, manche betrachteten ihn sogar als Sohn des Apollons.

Heute ist Pythagoras vor allem als Mathematiker bekannt, wegen des nach ihm benannten “Satz des Pythagoras”. Er und seine Schule haben aber auch starken Einfluss auf die Musik, weil sie mit ihrer “Harmonielehre” das abendländische Tonsystem mitprägten. Von ihm selber sind jedoch keine musikalischen Dokumente erhalten, nur Legenden. Aber Philolaos, ein späterer Pythagoreer, der zur Zeit des Sokrates lebte, hat solche musikalischen Dokumente hinterlassen. Diese Tonsysteme wurden dann vom griechischen Philosophen Euklit weiterentwickelt, der jedoch viel Später lebte und wahrscheinlich aus der Akademie des Platons hervorging. Im Mittelalter wurden diese Tonsysteme übernommen und schließlich zu der uns heute bekannten Harmonielehre (Quintenzirkel) verbessert. Die Erkenntnis, dass Musik eine Wissenschaft ist, der mathematische Gesetze zugrunde liegen, ist ein Vermächtnis der Pythagoreer. “Alles ist Zahl” verstanden die Pythagoreer als erste der überlieferten abendländischen Wissenschaften.

Aber auch viel weniger mathematisches ist von Pythagoras und seiner Schule überliefert, wobei es heute schwer zu trennen ist, was von ihm stammt und was von seinen Schülern. In ihren mystischen Glaubenslehren vertraten sie die Vorstellung von der Wiedergeburt (Reinkarnation) und Seelenwanderungen, als erste der abendländischen Philosophie. Diese religiösen Vorstellungen lassen Einflüsse von indischen Lehren vermuten. Die Pythagoreer erklärten die Seelen als etwas göttliches, die den Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt durchbrechen können, was stark an hinduistische oder buddhistische Vorstellungen erinnert.

Seine Philosophie basiert auf der Lehre des Anaximander (610-546 v.Chr.), der mit dem “Erfinder” der antiken Philosophie, Thales von Milet in Verbindung steht, der wahrscheinlich mit ihm zusammen in Milet lebte und sein Lehrer war. Er gilt als der Erfinder des Wortes “Kosmos” , weil er sich als erster antiker Philosoph mit den Sternen, der Welt und dem Weltall beschäftigte. Auch eine erste Weltkarte geht auf ihn zurück. Er fragte nach dem Ursprung des Weltalls, das er auf seine Lehre vom “Apeiron” (altgr.: “das Unendliche”) stützte. Das “Apeiron”, oder besser gesagt, das Weltall habe seinen Ursprung (altgr.: Arché) im Unendlichen. Als erster antiker Philosoph schrieb er seine Gedanken nieder, in Form von Prosa, also erzählenden Texten, wovon heute nur noch Fragmente erhalten sind. Seine Weltkarte, auf der Europa, Asien und Nordafrika zu sehen sind, umgeben von einem riesigen Ozean, gilt als verschollen.

Ursprung der Dinge (Arché) ist das Unendliche (Àpeiron). Woraus aber den Dingen das Entstehen kommt, dahinein geschieht ihnen auch der Untergang, nach der Notwendigkeit. Denn sie zahlen einander Sühne und Buße für ihr Unrecht nach der Ordnung der Zeit.(Anaximander) siehe auch: “Thales von Milet”!

Das Weltbild der Pythagoreer war geprägt von der Meinung, die gesamte Natur könne man durch die Mathematik der ganzen Zahlen beschreiben. Also nur die ganzen Zahlen, die rationalen Zahlen hatten in ihrem Bild vom Universum einen Platz. Irrationale Zahlen, Zahlen mit einem Komma, waren ihnen anstößig. So konnte es nicht ausbleiben, dass der Überlieferung nach ein Schüler des Pythagoras, namens Hippasos, entdeckte, dass bei einer geometrischen Figur, wie zum Beispiel dem Quadrat, die Diagonale nicht einem ganzen Vielfachen der Seitenlänge entspricht. Die Länge einer Seite geht also nicht genau zwei mal in die Diagonale hinein, sondern nur 1,35 mal, oder so. Diese beiden Strecken sind also nicht “kommensurabel” (lat.: zusammen messbar). Hippasos entdeckte die Existenz “inkommensurabler Strecken”, d.h. Strecken, die nicht mit einem gemeinsamen Maß messbar sind, und damit auch die Existenz von irrationalen Zahlen.- Zum Dank für diese Entdeckung wurde er auf Befehl seines Meisters Pythagoras ertränkt, berichtet die Legende. Man nimmt jedoch an, diese Entdeckung wurde am Fünfeck, dem “Pentagramm” gemacht, weil dieses Symbol für die Pythagoreer wichtig war. An diesem Symbol entdeckte man auch die Existenz des “goldenen Schnittes”, weil die Strecke, die zwei Zacken des Sterns miteinander verbinden, genau dem Verhältnis von “Minor” und “Major” entspricht. Nach diesem mathematischen Verhältnis, soll die gesamte Natur aufgebaut sein, glauben zumindest Mystiker bis in die Gegenwart. Der “goldene Schnitt” könnte auch auf die Pythagoreer zurückgehen. Dieses Verhältnis, das auch auf irrationalen Zahlen basiert führte in der Gemeinschaft wahrscheinlich zu einer Spaltung.

Bekannt ist heute noch die Ansicht, menschliche Seelen würden in Bohnenkernen wiedergeboren, weil diese aussehen wurden, wie menschliche Föten. Auch wenn diese Theorie schon früher nicht ganz ernst genommen wurde, so kam der Verzehr von Bohnen für die Pythagoreer nicht in Frage, weil dies mit Mord gleichzusetzen sei. Daher war es für sie auch klar, warum nach dem Essen der Hülsenfrüchte die Blähungen einsetzten, weil die Seelen wieder nach außen strebten.

Das Weltbild des Pythagoras wurde wahrscheinlich hauptsächlich durch die Ägypter geprägt, aber auch die Perser, denen der Lehrsatz des Pythagoras vom rechtwinkligen Dreieck schon Jahrhunderte früher bekannt war, hatten Einfluss auf ihn gehabt. Die Überlieferungen berichten, er sei von ägyptischen Priestern eingeweiht worden und habe sich 22 Jahre lang mit Fleiß über jede Lehre unterrichten lassen: Sternenkunde, Geometrie und alle Göttermysterien. Vielleicht stammen seine Ansichten von der Wiedergeburt gar nicht aus dem indischen Raum, sondern von den Ägyptern; vielleicht hatten beide Kulturen sogar geistigen Austausch miteinander, wer kann das heute noch wissen.

Sicher scheint aber, dass die Pythagoreer mit einem anderen Geheimbund in Verbindung standen, mit den orphischen Mysterien, deren Lehren fast identisch sind, mit denen der Pythagoreer. Viele Details der antiken Geheimlehren wurden leider nur mündlich weitergegeben, und sind daher heute vergessen. Die orphischen Mysterien beziehen ihren Namen von der antiken Sage des Orpheus, dessen Vater der Gott Apollon(Gott der Musik, der Künste, des Lichtes, der Weissagung und der sittlichen Reinheit) und dessen Mutter die Muße Kalliope gewesen sein sollen. Der Orpheus versinnbildlicht die Unsterblichkeit der Seele, weil er zu Hades(Gott der Unterwelt) geht, um seine Liebe, die Nymphe Eurydike zurück zu holen, in die Welt der Lebenden. Dort spielt er auf seiner “Lyra” so bezaubernd, dass Hades seine Eurydike tatsächlich freigibt. Sollte er aber auf dem Weg nach oben sich umdrehen und seine Liebe ansehen, dann würde Hades sie wiederholen. Natürlich berührt sie seine Hand während des Aufstiegs, er dreht sich um und alle Mühe ist umsonst. Deutlich wird aber, wie der Orpheus- Kult und die pythagoreische Mystik zusammen stehen: Beide esoterische Gesellschaften befassen sich mit der Wiedergeburtslehre und der Musik.

Viele religiöse und mystische Vorstellungen haben sich auf das Schaffen des Pythagoras und seiner Schule ausgewirkt, so berichtet Hermippus von Smyrna, Pythagoras habe sich auch mit jüdischen Bräuchen, Gesetzen und Weisheiten ausgekannt, diese verehrt, praktiziert und seinen Schülern gelehrt.

Somit steht er auch in der Linie mit den Anfängen des Christentums, welches seine Anfänge im Judentum hat. Vielleicht war Pythagoras ja nur ein eifriger Sammler allen Wissens seiner Zeit, es ist möglich, dass die Pythagoreer nur Wissen zusammen gesammelt haben, und nicht durch eigene Beobachtungen erlangten. Es ist möglich hier den Grund am Mord des Schülers Hippasos zu finden, meine ich, weil er selber auf eine Erkenntnis gestoßen war, die sich vielleicht nicht mit den zusammengetragenen Lehren vereinbaren ließ. Selber denken war bei den Pythagoreern vielleicht verboten !?

Das ertränken von Mitgliedern war auch lange nach dem Tod des verehrten Gurus noch gebräuchlich, wenn jemand seinen Schwur der Verschwiegenheit oder irgend eines anderen Gesetzes gebrochen hatte. Fortschrittlich ist jedoch, dass auch Frauen dem Geheimbund beitreten konnten und in ihm zu großem Ansehen gelangten. Die meisten Quellen über Pythagoras beziehen sich auf den römisch- hellenistischen Philosophen und Mathematiker Iamblichos von Chalkis(ca. 250- 330 n.Chr.). Er berichtet auch von anderen bedeutenden weiblichen Pythagoreern.

In diese Schule, die 525v.Chr. als eine Gemeinschaft von etwa Sechshundert Männern und Frauen entstand, wurden nur die fähigsten aufgenommen. Einer derer, die abgelehnt wurden hieß Kylon. Zwanzig Jahre später nahm er Rache, und wurde somit verantwortlich für den Tod von Pythagoras und für die Zerstörung der bedeutendsten Schule der Mathematik, die die Welt je gesehen hat. Nach seinem Tod führte die Frau von Pythagoras, Theano von Kroton die Schule weiter, und später die gemeinsame Tochter Damo.

Als Pythagoreer gelten auch oft Philosophen und Mathematiker, die nicht aus der Schule des Pythagoras stammen, wie Euklid, der dem “Satz des Pythagoras” seinen Namen gab. Auch viele moderne Wissenschaftler verstehen sich noch als Pythagoreer, in Anlehnung an das Prinzip, das die Zahl als Ausgang der Erkenntnisfindung stellt. Sie stehen heute jedoch im Gegensatz zu dem “Newtonschen Prinzip”, das die Beobachtung an den Anfang stellt, um daraus unbekannte Naturgesetze herzuleiten. Deshalb werden moderne Pythagoreer oft als Esoteriker von der Fachwelt missachtet.

Das Vermächtnis dieser uralten Sekte, die sich der Wahrheitsfindung in der Philosophie, der Mathematik, der Religion und der Politik verpflichtet fühlten, ist jedoch enorm: Der “Satz des Pythagoras” am rechtwinkligen Dreieck, die Entdeckung “irrationaler Zahlen“, der “Quintenzirkel” in der Harmonielehre und vieles mehr, geht auf sie zurück. Auch wenn ihre Philosophie weniger mathematisch- logischen Gesichtspunkten folgte, weil sie Zahlenspekulationen hauptsächlich auf die Astronomie anwandten, so sind doch viele moderne Errungenschaften auf diese vorsokratischen Philosophen zurückzuführen. Auch wenn wir heute oft nur mit “vielleicht” und “wahrscheinlich” auf ihr Wirken zurückblicken können, weil ihr Werk umrankt von Mythen und Legenden im Dunkel der Geschichte verschollen ist.

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